Kundgebung vor der ZUE am 5. Juli

Am Samstag, den 04.07.2020, folgten ca. 100 Menschen dem Aufruf vom Bündnis gegen Abschiebungen, Seebrücke Münster, Münster Stadt der Zuflucht und uns sich an zwei Kundgebungen und einer Fahrraddemo gegen die Wiederaufnahme von Abschiebungen zu beteiligen.

Die Demo begann vor der Ausländerbehörde und anschließend fuhren alle Teilnehmenden gemeinsam mit dem Fahrrad zur Zentralen Unterbringungseinrichtung am Albersloher Weg. Dort stießen auch viele Bewohner*innen der Unterbringungseinrichtung zu uns und beteiligten sich mit Redebeiträgen. Auch wir beteiligten uns mit einem Redebeitrag, der im Folgenden nachzulesen ist:

Es ist Corona und ihr schiebt ab!? So lautet der Titel dieser Demo. Er bringt auf den Punkt: die gesellschaftliche dauerhafte Krisensituation wird durch Corona verschärft. Und diese  Krise wird durch die Entrechtungspolitik gegenüber Geflüchteten weiter vorangetrieben.

Wenn wir heute hier den Abschiebestopp fordern, ist das zum einen die Reaktion darauf, dass trotz Corona-Pandemie seit dem 15. Juni wieder Abschiebungen stattfinden. Das können und wollen wir nicht hinnehmen! Zum anderen ist diese Abschiebestopp-Forderung zugleich auch der Versuch anhand dieser staatlichen Entrechtungspraxis die unmenschliche Funktionsweise der bürgerlichen Gesellschaftsform im Kapitalismus aufzuzeigen und zu kritisieren – um eine andere Gesellschaft darüber hinaus denkbar zu machen.

Die Zahl der Abschiebungen  seit dem 15. Juni war zunächst gering, steigt nun aber wöchentlich. Das BAMF  hat bekannt gegeben, dass in die Anrainerstaaten auf dem Landweg Dublin-Überstellungen stattfinden sollen und schrittweise dann Luftweg-Abschiebungen in Angriff genommen werden. Das Karussell der Entrechtung und des Schreckens dreht sich also weiter, genau wie vor Corona. Mit dem Unterschied, dass die Bewohner*innen in den Lagern extrem anstrengende Wochen in der Zwischenzeit hatten, einige Lager in NRW standen komplett unter Quarantäne.

Die Bedingungen die die Menschen erwarten in den Ländern in die sie abgeschoben werden, sind oftmals miserabel. Denn nicht erst mit Corona sind die Aufnahme- und Lebensbedingungen in vielen EU-Staaten inhuman.

Derzeit wissen wir schon von Dublin-Abschiebungen nach Belgien aus dem Lager Schöppingen, das 30 km von Münster entfernt liegt. Die Zentrale Ausländerbehörde scheint alles daran zu setzen, mit der Abschiebestatistik hinterher zu kommen.

Und sie sät damit Angst, Perspektivlosigkeit und (Re-)Traumatisierung bei den von Abschiebung Betroffenen.

Wir als Bürger*innenasyl-Initiative in Münster und bundesweit vielen anderen Städten haben uns zum Ziel gesetzt, Menschen in dieser Situation solidarisch zu unterstützen.

Das Bürger*innenasyl ist eine Praxis Zivilen Ungehorsams um Geflüchtete zu schützen, die von Abschiebungen bedroht sind. Das heißt, Menschen hier in Münster nehmen von Abschiebung bedrohte Geflüchtete bei sich auf und deklarieren öffentlich, dass sie diesen Regelübertritt aus humanitären Gründen tun. Denn was nicht legal ist kann dennoch legitim, also geboten sein angesichts der Abschiebemaschinerie.

Wir unterstützen Menschen ohne Papiere in den praktischen Dingen des Alltags und versuchen durch die politische Bürger*innenasyl-Kampagne dafür Öffentlichkeit zu schaffen. Denn faktisch werden Geflüchtete ohne Status in ihren Communitys und in solidarischen Wohngemeinschaften schon seit langem geschützt. Neu ist nun, dies öffentlich zu machen und dem dadurch Legitimität zu verschaffen. 

Durch das Bürger*innenasyl kann Solidarität im doppelten Sinne konkret werden: In der Unterstützung von illegalisierten Menschen ohne Zugang zum Gesundheitssystem, Arbeit und Bildung und in der politischen Sichtbarmachung und Kritik der behördengemachten rassistischen Menschenverachtung.

Es ist in der aktuellen Situation wichtig, auf die Lage von Menschen ohne und mit prekärem Status aufmerksam zu machen. Denn gerade in der Coronakrise bleibt ihre Situation weiterhin unter hohem Druck. Hierfür Öffentlichkeit zu schaffen ist jetzt wichtig. Deswegen sind wir heute hier.

In ein paar Wochen wird die Abschiebemaschine wieder regulär laufen, so wie es das anfanghaft jetzt schon tut. Dann wird es vor allem zu Tausenden Dublin-Abschiebungen kommen. Darauf müssen wir uns jetzt vorbereiten. Das heißt, wir bereiten uns jetzt darauf vor, wie wir durch das Bürger*innenasyl eine größere Anzahl von Menschen schützen vor Abschiebungen. Auch wenn unsere faktischen Kapazitäten nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind.

Hierfür braucht es konkrete Unterkünfte. Es braucht aber auch die Rückendeckung für diese Praxis in der Öffentlichkeit.  Leute können unsere Erklärung unterzeichnen und sich zum Bürger*innenasyl bekennen. Es liegen hier Listen aus, in denen ihr unseren öffentlichen Aufruf zum Bürger*innenasyl unterschreiben könnt. Promis könnten dazu aufrufen, wir könnten eine Plakataktion hierzu machen in unserer Stadt, in Briefkästen flyern usw.

Und: Derzeit gibt es einen Kriminalisierungsversuch gegen einen Bürger*innenasyl-Aktivisten aus Hanau, der im Impressum unserer bundesweiten Homepage steht. Er soll nun wegen Aufruf zu Straftaten angeklagt werden. Davon können und wollen wir uns nicht einschüchtern lassen. Denn das Bürger*innenasyl ist gerade jetzt bitter nötig.

Lasst und mutig sein!

Lasst uns Bürger*innenasyle auf die Beine stellen!

Lasst uns Solidarität gerade in dieser Krisensituation praktisch werden lassen!

Und vor allem: organisieren wir uns!

Halten wir ihrer Abschiebemaschinerie entgegen: No Border, No Nation, Stop Deportation!